"Die Malerei in ihrem eigentlichen Sinne"  Arbeiten von Otto Greis

Die lange Zeit der Vorbereitung und Realisierung dieser Ausstellung geht mit der heutigen Vernissage zu Ende. Wir sind froh und glücklich diesen heutigen Stand, trotz vieler Widrigkeiten bis hin zu Ablehnungen einer Unterstützung, erreicht zu haben.

Begonnen in 2010 mit den Recherchen zum Thema: "Künstler in der eigenen Stadt zu haben ist immer eine Bereicherung", konnte dann im Dezember 2012 mit der "Hommage an Bad Sodener Künstler" und dem Besuch von mehr als 1.000 Besuchern in der korrespondierenden Ausstellung hier in der Stadtgalerie ein wichtiger Etappenerfolg erreicht werden.

Otto Greis war in dieser Hommage einer der wichtigen der zwölf Künstler Er hatte mit seiner Frau Hannelore von 1945 - 1957/58 in Bad Soden u.a. in der Paul Reiss Str. 1 gelebt. In seiner Bad Sodener Zeit (1945 bis 1957) war Otto Greis u. a. mit dem ebenfalls hier lebenden Maler Richard Schoenfeld, dessen Gattin, der in Norwegen geborenen Bildhauerin Mena Schoenfeld, sowie mit dem in Wien geborenen, späteren Städelprofessor, dem Bildhauer Friedrich Christoph Hausmann freundschaftlich verbunden. Besonders beeinflusst wurde Otto Greis in der Sodener Zeit durch seinen intensiven Kontakt zu dem in Hofheim lebenden Maler und Grafiker Ernst Wilhelm Nay.

Otto Greis der zweifache documenta Teilnehmer, von denen es vielleicht zwanzig in der Geschichte der documenta überhaupt gab, gehört sicher zu einem der bedeutsamsten deutschen Künstler der Nachkriegszeit. Die Arbeiten des 2001 gestorbenen Künstlers hängen heute in mehr als  30 Museen und Institutionen. Sehr viele der heute gezeigten Werke wurden in unzähligen Ausstellung in Galerien gezeigt, einige sogar auf der documenta.

Es ist dies heute die einzige bundesweite Ausstellung bislang zu seinem 100. Geburtstag und uns eine große Ehre diese gestalten zu können. Mit mehr als 60 Unikaten aus der Zeit von 1934 - 1996 sind dabei mehr als 20 entstanden in seiner Sodener Zeit.

Der Dank das dies gelingen konnte geht deshalb insbesondere nochmals an Hannelore Greis erinnern, die im Juli diesen Jahres verstorben ist. Sie hatte in Vorbereitung auf die "Hommage an Bad Sodener Künstler" zu der Ausstellung inspiriert und beraten und sich dabei euphorisch auf die Ausstellung der heute hier zu sehenden aussergewöhnlichen Exponate gefreut. Ihr bin ich in besonderer Weise dankbar.

Grundzüge und Ausrichtung der ausgestellten Exponate

Otto Greis, einen Künstler der Nachkriegsavantgarde, trug mit  seine neuen elementaren Ansätzen Entscheidendes zur Anbindung der deutschen Kunst an die internationale Kunstszene bei.

Nach 1945 herrschte unter den deutschen Künstlern eine gewisse Unsicherheit, wie es weitergehen sollte. Ein Anknüpfen an die Kunst des Dritten Reiches war unmöglich, deshalb schied auch die Figurative generell aus. Frankreich, das großen Wert auf die kulturelle Reeducation der Deutschen legte, präsentierte dem staunenden Publikum die von französischem Boden ausgehenden neuen Errungenschaften in der Kunst: Kubismus, Art Brut und Abstraktion. Für die meisten deutschen Künstler tat sich hier Neuland auf: die Erhaltung der Fläche.

Ausbildung, 30er Jahre
Bevor sich Greis 1945 diesem Thema stellen konnte, erhielt er 1935/36 eine grundlegende künstlerische Ausbildung in Frankfurt bei einem ehemaligen Städelschüler. Sie umfasste v. a. die Schulung des Auges bezüglich Proportionen, Strukturen und Schaffung von Räumlichkeit. Auf dieser Grundlage entstanden Landschaftsbilder und Stillleben. Besonders die hier gezeigten  Aquarelle zeigen in ihrer Farbgebung  und einem heftigen Pinselduktus ihre Nähe zum Expressionismus der Vorkriegsjahre.

Kubistische Phase, 40er Jahre
Der Krieg unterbrach Greis’ künstlerische Entwicklung. 1945 kehrt Greis nach Bad Soden zurück und lernt Ernst Wilhelm Nay kennen, der in Südfrankreich während des Krieges im Atelier eines Bildhauers seine Kunst weiter entwickeln konnte. In vielen Diskussionen um die Schaffung des Bildes als eigene Autonomie erörterten  beide Künstler die Wichtigkeit der kunstimmanenten  Mittel, die zur „Malerei in ihrem eigentlichen Sinne“ führen soll. Aus dieser kubistischen Phase können hier lediglich Zeichnungen gezeigt werden. Aber gerade an ihnen kann sein Bemühen um den Erhalt der Fläche abgelesen werden.

Informel, 1. Hälfte der 50er Jahre
In ersten Kontakten zum Informel in Paris und Lüttich begegnete Greis einer Kunst, die von allen althergebrachten Zwängen und politischen Belastungen befreit war – etwas völlig Neuem. Diese nicht nur für Greis, sondern für die gesamte deutsche Kunstszene so überaus wichtige Phase hat ihren  Ursprung im Sodener Atelier in der Paul-Reiss-Straße. Die hier entstandenen Bilder mit ihren explodierenden Formen und Farben wurden erstmals in Frankfurt  am Main1952 in der Quadriga-Ausstellung präsentiert. Von hier verbreitete sich die Idee des Informel wie ein Flächenbrand über Deutschland.

Abwendung vom Informel, 2. Hälfte der 50er Jahre
Schon ab Mitte der 50er Jahre machte sich ein starker Kompositions- und Formwille bemerkbar. 1958 verlässt Greis für die folgenden 24 Jahre Bad Soden und Deutschland, da das Informel sich für ihn als Sackgasse zeigte und keine Weiterentwicklung zuließ. In der Nähe von Paris erkämpft er sich in einer Serie von ebenfalls in der Ausstellung gezeigten Tuschezeichnungen und Serigrafien die Form zurück, die ihn nie wieder verlassen wird: Das geschlossene Runde und die gebogene Bahn.

Das reife Werk, 60er Jahre bis 2000
Unter dem Lichteindruck der Île de France, der schon die Impressionisten zu ihren lichtdurchfluteten Gemälden bewegten, entstanden ab den 60er Jahren Zeichnungen, Aquarelle und Gemälde, die einerseits dem Licht verpflichtet sind, andererseits seine plastische Auffassung des Bildraumes mit Hilfe der ureigenen Mittel der Malerei thematisieren.

Erst 1985 kehrt er nach Deutschland zurück, wo er in Ockenheim über dem Rhein bei Bingen bis zu seinem Tod lebte.
Ausarbeitung Dr. Monika Maier-Speicher

 

Beispielhafte Arbeiten von Otto Greis aus der Ausstellung in der Stadtgalerie Bad Soden

Galerie Helga K.Schiffler 0